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Ihr gutes Recht – aktuell

Ihr gutes Recht

Denkzettel: Doppeltes Fahrverbot bei doppeltem Verkehrsverstoß

Wer innerhalb von sechs Wochen zweimal zu dicht auffährt, kann ein doppeltes Fahrverbot bekommen. Ein Urteil des Amtsgerichts Frankfurt.

Der Fall: Ein Autofahrer – ein selbstständiger Jurist – hatte bereits mehrfach Abstandsverstöße begangen. 2021 wurde schon zweimal ein Bußgeld wegen zu geringem Abstand gegen ihn verhängt. Zwei Jahre später wurde er wieder auffällig.

Wiederholt zu wenig Abstand

Anfang 2023 hielt der Autofahrer ein weiteres Mal den erforderlichen Abstand nicht ein. Die Folge: eine Geldbuße und ein Monat Fahrverbot. Sechs Wochen später beging der Mann wieder einen Abstandsverstoß. Diese Sache wurde vor Gericht verhandelt, nachdem der Wiederholungstäter das erste Fahrverbot schon verbüßt hatte.

Das Amtsgericht Frankfurt hatte keinen Zweifel an der Identität des verantwortlichen Fahrers und an der Richtigkeit der Messung. Es verhängte erneut ein Bußgeld. Die Regelbuße von 160 Euro hob das Gericht wegen der einschlägigen Voreintragungen auf 300 Euro an. Dadurch solle auf die grob mangelhafte Verkehrsdisziplin des Autofahrers eingewirkt werden, so die Begründung.

Kein Grund für Absehen vom Fahrverbot

Dazu kam erneut ein Monat Fahrverbot. Das Gericht führte aus, es gebe keinen Grund, von einem weiteren Fahrverbot abzusehen, auch wenn der Betroffene in der Zwischenzeit bereits eines verbüßt habe. Denn ein Fahrverbot solle als Denkzettel für den jeweiligen Verkehrsverstoß auf den Betroffenen wirken und künftigen Verstößen vorbeugen.

Dass die beiden Verkehrsverstöße nicht zusammen verhandelt wurden, stelle den Autofahrer nicht schlechter, so das Gericht. Zwar hätte dann nur ein einziges Fahrverbot festgesetzt werden können. Weil er aber besonders beharrlich gegen Verkehrsregeln verstoße, sei für den Verkehrssünder ein doppeltes Fahrverbot angemessen.

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 17.11.2023, Az.: 971 OWi 916 Js 59363/23

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An einer erkennbar geöffneten Autotür muss man mit einem Abstand von mindestens einem Meter vorbeifahren. Ansonsten droht bei einem Unfall die alleinige Haftung für den Schaden. Ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken.

Der Fall: Ein Autofahrer kollidierte mit der geöffneten Fahrzeugtür eines am Straßenrand geparkten Pkw. Dessen Halter hatte die hintere Tür auf der Fahrerseite geöffnet, um das Auto zu beladen. Er verlangte Schadenersatz vom Halter des vorbeifahrenden Fahrzeugs. Die Sache ging vor Gericht.

Geöffnete Autotür von weitem zu sehen

In der ersten Instanz (Amtsgericht) wurde der Schaden je zur Hälfte verteilt. Der Kläger legte Berufung ein, bekam in der zweiten Instanz Recht. Das Landgericht Saarbrücken urteilte, ihm stehe voller Schadenersatz zu, obwohl er gegen die Pflicht verstoßen habe, sich beim Ein- und Aussteigen so zu verhalten, dass keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender besteht.

Mindestabstand von einem Meter

Dem vorbeifahrenden Autofahrer sei aber ebenfalls ein Verkehrsverstoß vorzuwerfen. Denn dieser habe keinen ausreichenden Abstand zu dem parkenden Auto eingehalten, so das Gericht. Grundsätzlich reiche zwar ein Seitenabstand von ca. 50 Zentimeter zum geparkten Auto aus. Stehe aber auf dem Seitenstreifen ein Auto mit geöffneter Fahrzeugtür und müsse man damit rechnen, die Tür werde noch weiter geöffnet, reiche beim Vorbeifahren ein Abstand von unter einem Meter nicht aus. Das Gleiche gelte, wenn wie hier eine Person in der geöffneten Tür stehe, führte das Gericht aus.

Zu wenig Seitenabstand: Alleinhaftung

Das Verschulden des Vorbeifahrenden überwiege in diesem Fall. Daher müsse er trotz des beiderseitigen Verkehrsverstoßes allein für den Unfallschaden haften, so das Gericht. Es sei von weitem erkennbar gewesen, dass die Autotür geöffnet war. Der parkende Autofahrer habe darauf vertrauen dürfen, dass sich andere am Verkehr Teilnehmende darauf einstellen würden.

LG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023, Az.: 13 S 8/23

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Geld zurück: Gibt es zu wenige Pool-Liegen oder verhindert der Reiseveranstalter nicht, dass andere Gäste Liegen länger reservieren, kann die Pauschalreise mangelhaft sein. Ein Urteil des Amtsgerichts Hannover.

Der Fall: Ein Mann buchte für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Rhodos. Die Reise ging in ein Hotel mit sechs Swimmingpools, an denen etwa 500 Pool-Liegen standen. Schilder am Pool untersagten den Badegästen, die Liegen länger als 30 Minuten zu reservieren, ohne sie zu nutzen. Im Gegensatz zum Urlauber und seiner Familie hielten sich viele andere Gäste nicht an die Regeln. Das Hotelpersonal unternahm nichts dagegen. Der Mann beschwerte sich mehrfach, auch beim Reiseveranstalter.

Hotelgäste reservieren Liegen mit Handtuch

Der Reiseveranstalter hielt dagegen, es gebe nun mal ein friedliches Wettrennen um die begehrten Plätze am Pool. Der “frühe Vogel” habe dabei mehr Glück, die Reise sei deswegen aber nicht mangelhaft. Vielleicht hätten ausschließlich der Kläger und seine Familie die Pool-Regeln befolgt. Obwohl keine Sanktionen drohten, wenn sie abends oder zum Sonnenaufgang ebenfalls Handtücher auf Liegen gelegt hätten. Die Sache ging vor Gericht, der Urlauber forderte einen Teil seines Reisepreises zurück.

Veranstalter muss Pool-Regeln durchsetzen

Das Amtsgericht Hannover wies darauf hin, dass der Reiseveranstalter nicht jedem Hotelgast eine Liege zur Verfügung stellen müsse. Allerdings müssten je nach Auslastung des Hotels und Anzahl der Hotelgäste genügend Liegen vorhanden sein. Außerdem müsse der Reiseveranstalter einschreiten, wenn es zwar genug Liegen gebe, diese aber faktisch nicht nutzbar seien, weil andere Hotelgäste entgegen der Pool-Regeln Liegen mit Handtüchern reservieren, ohne sie zu nutzen.

Handtücher von den Liegen entfernen?

Es sei dem Reisenden nicht zumutbar, so das Gericht, selbst für Abhilfe sorgen, etwa indem er eigenmächtig fremde Handtücher entferne oder entgegen den Verhaltensregeln Liegen reserviere. Denn damit seien Streitigkeiten mit anderen Hotelgästen vorprogrammiert.

Urlauber bekommt Reisepreis teilweise zurück

Am Ende gab das Gericht dem Kläger zum Teil Recht. Ihm und seiner Familie sei es außer am letzten Tag nicht möglich gewesen, nach dem Frühstück ab etwa 9 Uhr Pool-Liegen zu nutzen. Diese seien entweder belegt, mit Handtüchern anderer Hotelgäste reserviert oder defekt gewesen. Das Gericht sprach dem Urlauber daher eine Reisepreisminderung von 322,77 Euro, das waren etwa 15 Prozent des Tagesreisepreises, für die Tage ab der erstmaligen Beschwerde des Klägers zu.

AG Hannover, Urteil vom 20.12.2023, Az.: 553 C 5141/23

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War das ein Handyverstoß oder hatte der Autofahrer nur wegen Zahnschmerzen einen Kühlakku an der Wange? Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm.

Der Fall: Ein Autofahrer wurde bei einer Verkehrsüberwachung von Polizisten beim Telefonieren mit einem Handy am Ohr erwischt. Er hielt sein Smartphone ans linke Ohr und sprach hinein. Als er die Beamten bemerkte, nahm der Mann das Handy sofort herunter. Er bekam einen Bußgeldbescheid wegen eines Handyverstoßes.

Gericht: Kühlakku ist eine Ausrede

Der Autofahrer legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Er bestritt die Tat und behauptete, wegen Zahnschmerzen einen in ein dunkelgraues Handtuch gewickelten Kühlakku an seine Wange gehalten zu haben. Diesen Kühlakku brachte er zum Hauptverhandlungstermin im Amtsgericht Iserlohn mit.

Das Gericht verurteilte den Mann aber wegen des Handyverstoßes. Es hielt seine Erklärung mit dem Kühlakku für eine Schutzbehauptung. Denn es bestehe zum einen keine Ähnlichkeit zwischen einem Handy und dem umwickelten Kühlakku. Zum anderen habe der Autofahrer bei der Verkehrskontrolle den Kühlakku nicht erwähnt.

Zeugen haben Handy gesehen

Außerdem konnte sich eine Polizeibeamtin konkret an die Verkehrskontrolle erinnern und als Zeugin glaubhaft aussagen, sie und ihre Kollegen hätten gesehen, dass der Betroffene eindeutig ein Handy in der Hand gehalten habe. Ein anderer Beamter konnte sich daran erinnern, dass der Betroffene bei der Kontrolle gesagt hatte: “Eine Sauerei, dass aus einem Zivilfahrzeug heraus kontrolliert wird!”

Gericht: Autofahrer nicht glaubhaft

Der Autofahrer legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. Sein Argument: Das Amtsgericht habe sein Schweigerecht verletzt. Er hatte damit aber keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm betonte, in den Formulierungen des Amtsgerichts sei keine Verletzung des Schweigerechts zu sehen. Schon der Zeitpunkt seiner Einlassung beeinträchtige die Glaubhaftigkeit des Autofahrers. Außerdem habe er nur teilweise von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht und die Polizeibeamten bei der Verkehrskontrolle kritisiert. Die Aussagen der Zeugin seien dagegen glaubhaft.

Bußgeld wegen Voreintragungen erhöht

Der Autofahrer musste ein Bußgeld von 150 Euro für den Handyverstoß bezahlen. Dieses war wegen zwei Voreintragungen erhöht worden.

OLG Hamm, Beschluss vom 29.8.2023, Az.: III-5 ORbs 70/23

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Handyverstoß nur durch Umlegen des Handys?

Wer über die Freisprechanlage telefoniert und das Handy dabei woanders hinlegt, begeht keinen Handyverstoß. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe.

Der Fall: Ein Autofahrer telefonierte über die Freisprechanlage im Auto und legte dabei sein Handy an einen anderen Platz. Vom Amtsgericht Villingen-Schwenningen wurde er wegen einem Handyverstoß zu einer Geldbuße von 250 Euro verurteilt. Dagegen legte der Mann Rechtsmittel ein.

Kein Handyverstoß beim Umlegen des Mobiltelefons

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, allein durch das Aufnehmen oder Halten eines Mobiltelefons während der Fahrt begehe der Fahrer keinen Handyverstoß. Für eine Ordnungswidrigkeit müsse er das Handy nicht nur halten, sondern auch benutzen. Eine bloße Ortsveränderung des Handys falle aber nicht unter den Begriff “benutzen”, denn dies habe keinen Bezug zur Funktion des Geräts.

Umlagern von anderen Gegenständen nicht verboten

Nach Ansicht des Gerichts sei es unlogisch, das funktionsneutrale Umlagern bei einem Handy anders zu beurteilen als bei anderen Gegenständen, die man im Auto dabei hat. Das sei unabhängig davon, ob man während des Umlagerns über die Freisprechanlage telefoniere oder das Gespräch vorher beendet werde.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.4.2023, Az.: 1 ORbs 33 Ss 151/23

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Vom Bus mit Schneematsch bespritzt – wer zahlt die Reinigung?

Der Fall: Eine Familie ging bei in der Mitte eines Gehwegs an einer Bushaltestelle vorbei spazieren. Ein Linienbus fuhr an die Haltestelle heran und spritzte dabei so weit hoch, dass die gesamte Familie wurde. Der Familienvater verlangte vom Busunternehmen die Kosten für die Reinigung und klagte.

Fußgänger voller Schneematsch
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. verurteilte das Busunternehmen dazu, 75 Prozent der für die verschmutzte Kleidung zu übernehmen. Im Straßenverkehr seien alle Verkehrsteilnehmer zur verpflichtet. Jeder Verkehrsteilnehmer müsse dafür sorgen, andere nicht zu schädigen, zu gefährden oder mehr als unvermeidbar zu behindern oder belästigen.
Busfahrer musste Rücksicht nehmen
Der Busfahrer habe gegen dieses Gebot verstoßen, so das Gericht. Er sei offensichtlich zu schnell und mit an die Haltestelle herangefahren. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Familie, die sich in der Mitte des Gehwegs befand, durch den hochspritzenden Schneematsch von Kopf bis Fuß durchnässt wurde.
Im Winter mit Schneematsch rechnen
Allerdings musste sich die Familie nach Auffassung des Amtsgerichts ein von 25 Prozent anrechnen lassen. Fußgänger auf dem Bürgersteig müssten das Hochspritzen von Schneematsch hinnehmen. Der Verkehr könne bei Schneematsch nicht lahmgelegt werden, so das Gericht. Die Fahrbahn war mit Schneematsch bedeckt. Der Familienvater habe daher damit rechnen müssen, dass vorbeifahrende Autos diesen hochspritzen könnten. Das gelte umso mehr für einen großen Linienbus.

Der Familienvater hätte ausweichen können, so das Gericht.

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 7.10.1994, Az.: 32 C 2225/94

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Viele Autofahrende machen es, um andere zu warnen. Aber muss man an einem Stauende die Warnblinkanlage einschalten? Eine Entscheidung des Landgerichts Hagen.

Der Fall: Ein Lkw-Fahrer fuhr auf dem rechten Fahrstreifen einer dreispurigen Autobahn, hinter ihm folgte ein Autofahrer mit seinem Lada. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 100 km/h. Auf der rechten Spur bildete sich an einer Ausfahrt ein Stau. Deshalb bremste der Lkw-Fahrer innerhalb von 29 Sekunden von ca. 62 km/h auf circa 11 km/h runter. Die Warnblinkanlage schaltete er nicht ein.

Schlimmer Auffahrunfall auf der Autobahn

Der Lada-Fahrer reagierte nicht rechtzeitig und fuhr mit 50 km/h auf den Lkw auf. Der Mann wurde sehr schwer verletzt, lag im Koma. Auch nach mehreren Operationen und Behandlungen ist er nicht vollständig genesen und heute pflegebedürftig. Über die Verteilung der Kosten für die Krankenversicherung von gut 155.000 Euro und die Pflegeversicherung von gut 13.000 Euro wurde vor Gericht gestritten.

Warnblinker bei Gefahr für nachfolgenden Verkehr

Das Landgericht Hagen wies die Klage ab. Der Unfall sei für keinen der Beteiligten unabwendbar gewesen. Die Betriebsgefahr des Lkw trete aber hinter dem groben Verschulden des Lada-Fahrers zurück. Das führte das Gericht nach einer Haftungsabwägung aus. Der Lkw-Fahrer sei nicht verpflichtet gewesen, den Warnblinker anzuschalten. Eine solche Verpflichtung bestehe nämlich nicht bei jedem sich bildenden Stau, sondern nur dann, wenn sich wegen des Staus eine Gefahr für den nachfolgenden Verkehr ergebe. Dabei komme es auf die Gefährlichkeit der Situation und die Erkennbarkeit für den nachfolgenden Verkehr an, so das Gericht.

Verkehrsteilnehmer müssen auf Sicht fahren

Wegen des Sichtfahrgebots müssten Verkehrsteilnehmer auch auf der Autobahn damit rechnen, unter Umständen plötzlich bis zum Stillstand abbremsen zu müssen. Komme es auf vielbefahrenen Strecken regelmäßig zu stockendem Verkehr oder Stau, brauche es in der Regel keine besondere Warnung, führte das Gericht aus. Das sei anders, wenn das Stauende schlecht zu erkennen (zum Beispiel hinter einer Kurve oder Kuppe) und mit hohen Geschwindigkeitsunterschieden zu rechnen sei.

Auf rechter Spur immer mit Staubildung rechnen

Auf der rechten Spur einer Autobahn müsse man wegen der hohen Lkw-Dichte und wegen häufiger Staubildung an Ausfahrten grundsätzlich mit Stau rechnen. Die Sicht war in diesem Fall gut, die Strecke gerade und trocken. Auch habe der Lkw-Fahrer nicht abrupt gebremst. Es könne daher keine Rede von einer unvorhersehbaren Staubildung und entsprechenden Gefahr für den nachfolgenden Verkehr sein.

Verschulden: Zu wenig Abstand und unaufmerksam

Vielmehr sei von einem groben Verschulden des Lada-Fahrers auszugehen, der mit ca. 50 km/h auf den Lkw aufgefahren sei. Denn dieser habe nicht genug Abstand eingehalten. Da der Lkw schon 29 Sekunden vor dem Unfall nur noch ca. 60 km/h fuhr, könne aus dem Auffahren auf eine erhebliche Unachtsamkeit des Lada-Fahrers geschlossen werden. Ob er nicht rechtzeitig reagierte, weil er durch ein Video auf seinem Smartphone abgelenkt war, ließ sich nicht feststellen. Hinter dem groben Verschulden trete die einfache Betriebsgefahr des Lkw aber jedenfalls zurück, so das Gericht.

LG Hagen, Urteil vom 31.5.2023, Az.: 1 O 44/22

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Urteil: Tempolimit für Radfahrer

Manche Städte gestalten Straßen als Begegnungszonen für Fußgänger, Radfahrer und Autos. Ist dort ein Tempolimit für Radler von 10 km/h in Ordnung? Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg.

Der Fall: Ein Berliner Bezirk hatte in einer Begegnungszone das Tempo für Radfahrer auf 10 km/h begrenzt. Ein Radfahrer war damit nicht einverstanden und klagte. Er argumentierte, mit Blick auf die Zahl der Verkehrsunfälle der vergangenen Jahre sei keine Gefährdungslage erkennbar, die eine solche Maßnahme rechtfertige.

Tempolimit für Radler von 10 km/h

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war anderer Ansicht. Es bestätigte das vom Bezirk verhängte Tempolimit. Begründung: In dem betreffenden Straßenabschnitt träfen Fußgängerinnen und Fußgänger, Rad- und Autofahrer und -fahrerinnen aufeinander. Durch die bauliche Umgestaltung der Straße sei eine verdichtete Gemengelage mit konkretem Gefahrenpotenzial entstanden, so die Richter.

Tempolimit zur Vermeidung von Unfällen

Das Gericht berief sich auch auf eine Vorher-Nachher-Untersuchung zu den Begegnungszonen in Berlin. Danach habe sich seit der Umgestaltung der Fußgängerverkehr um 18 Prozent erhöht. Die Zahl der Radlerinnen und Radler sei um zwei Drittel gestiegen, und die Zahl der Personen, die den Radweg querten, sei ganze 167 Prozent höher. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Radfahrerinnen und -fahrer diene daher der Vermeidung von Unfällen, führte das Gericht aus. Die Verkehrsunfälle der vorangegangenen Jahre seien vor diesem Hintergrund nicht mehr entscheidend, so das Gericht.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.9.2022, Az.: OVG 1 S 53/22

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Aufnahmen einer Dashcam

Ein städtischer Mitarbeiter warf seinem Kollegen vor, sein Auto zerkratzt zu haben. Beweisen wollte er das mit der Tonaufzeichnung der Dashcam aus seinem Wagen. Trotz eines Datenschutzverstoßes war die Aufzeichnung nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf als Beweis verwertbar.

Der Fall: Der Mann parkte bei der Stadtverwaltung, kurz darauf stellte ein Kollege sein Auto daneben ab. Am zuerst abgestellten Fahrzeug fanden sich später Kratzer, dafür verlangte der Besitzer von seinem Kollegen gut 1700 Euro Schadenersatz. Beweisen wollte er dessen Schuld mit Aufnahmen seiner Dashcam. Diese zeichnet auf, sobald sich jemand dem Auto nähert. Die Sachbeschädigung war auf dem Video nicht zu sehen. Kurz nach dem Einparken des Kollegen seien aber Kratzgeräusche zu hören, die für ein mutwilliges Zerkratzen sprächen.

Der Kollege bestritt die Tat. Die Geräusche könnten auch von seinen Schritten auf vereistem Untergrund oder dem Einklappen des Seitenspiegels stammen. Außerdem widersprach er aus Datenschutzgründen der Verwertung der Dashcam-Aufnahmen. Das Gericht führte aus, eine Aufzeichnung ohne Anlass sei zwar unzulässig. Nach Abwägung aller Interessen könne sie bei einer vorsätzlichen Sachbeschädigung aber als Beweismittel herangezogen werden.

Das Gericht kündigte an, die beiden Autos und die Aufzeichnungen der Dashcam zu untersuchen und schlug den beiden Parteien vor, sich zu verständigen. Beide gingen darauf noch vor der Beweisaufnahme ein: Der beklagte Kollege zahlte den Schaden je zur Hälfte an den Kläger und an eine gemeinnützige Organisation. Außerdem vereinbarten sie, dass der beklagte Kollege keine Schadenersatzansprüche wegen eventueller Datenschutzverstöße geltend machen kann.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.1.2023, Az.: 13 Sa 624/22

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Enttäuschte Urlaubsfreuden

Viele werden sich erinnern: krachende Bohrhämmer nebenan, Schimmel im Bad oder der versprochene hotelnahe Strand ist nur mit dem Bus erreichbar. Entspricht die angepriesene Reise nicht dem erlebten Urlaub, bestehen u.U. Ersatzansprüche. Um diese durchsetzen zu können, ist jedoch einiges zu beachten:

– Zeigen Sie Mängel sofort bei der örtlichen Reiseleitung (Hotelrezeption reicht nicht!) an und verlangen Sie Abhilfe.
Ist ein Reiseleiter nicht vorOrt erreichbar, rufen Sie notfalls in Deutschland den Veranstalter an.

– Lassen Sie sich die Anzeige und das Abhilfeverlangen schriftlich von der Reiseleitung bestätigen.
– Sichern Sie vor Ort Beweise für die Mängel (z.B. vollständige Namen und Anschriften von Zeugen, aussagekräftige Fotos oder Videos).

Zu Hause angekommen müssen Sie innerhalb eines Monats nach dem vertraglichen Rückreisetermin beim Reiseveranstalter Ansprüche geltend machen:

– Stellen Sie sicher, dass das Schreiben tatsächlich und rechtzeitig ankommt.
– Beschreiben Sie die Mängel möglichst genau
(z.B. “laute Bohr- und  hämmergeräusche am 25.07.2015 in der Zeit von 07.00 Uhr bis 08.30 Uhr und am  …”).

Ziel wird in der Regel eine Minderung des Reisepreises sein. Wie so oft kommt es jedoch auf die Umstände des Einzelfalles an. Erforderlichenfalls sollten Sie sich beraten lassen.
Bewahren Sie in jedem Fall alle Reiseunterlagen und den -prospekt auf.

Bei einer Flugreise können gegebenenfalls bei Überbuchung oder Annullierung des Fluges bzw. Verspätungen noch weitere Ansprüche gegenüber der Fluggesellschaft direkt in Betracht kommen.

Auch könnte ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von bis zu € 600,00 pro Fluggast je nach Flugstrecke bestehen. Hier kommt es auf den Einzelfall, insbesondere auch auf die Flugroute,  Abflugort und das Ankunftsziel an.

Rechtsanwalt Thomas Nahr

Ausgleichsansprüche nach der Beendigung einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft

BGH, Urteil vom 8. Mai 2013   XII ZR 132/12

Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen Ausgleichsansprüche wegen finanzieller Zuwendungen (hier: Darlehensraten) des einen Partners für den Erwerb und Umbau eines im Alleineigentum des anderen Partners stehenden Wohnhauses grundsätzlich insoweit nicht in Betracht, als die Leistungen nicht deutlich über die Miete hinausgehen, die für vergleichbaren Wohnraum aufzuwenden wäre.

Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheit im Verkehr

BVerwG 3 C 24/15; BVerwG 3 C 13/16

Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille im Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden, darf die Verwaltungsbehörde ihre Neuerteilung nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 06.04.2017 entschieden.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 23/2017 des BVerwG vom 06.04.2017